Leibniz-Gymnasium Essen

Es gibt nicht für jede Frage eine Antwort … aber einen Essay! - Teilnahme am „7. landesweiten Schülerwettbewerb Deutsch: Essay“ in den Stufen 10-12

Post von der Bezirksregierung im Fach eines Lehrers bedeutet nicht immer den kreativen Höhepunkt eines Schultages, manchmal aber eben doch. So geschehen im März diesen Jahres in Form einer Ausschreibung zur Teilnahme am „7. landesweiten Schülerwettbewerb Deutsch: Essay“ 2011 der Behrenkamp-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW. Eine spannende und lohnenswerte Sache, wie sich die Fachschaft Deutsch gleich dachte. Spannend vor allem deshalb, weil das Schreiben von Essays weder im Studium noch in der Lehreraus- und -fortbildung zur Obligatorik zählt, sondern eher privates Amüsement ist. Ja, werden jetzt die Englischbewanderten unter Ihnen sagen, das lässt sich doch leicht übersetzen: Essay kommt aus dem Englischen und heißt Aufsatz. Richtig, aber Aufsätze schreiben wir am laufenden Band, von Essays kann man dabei aber noch lange nicht sprechen. Und wenn man selber keine Ahnung hat, sollte man sich Hilfe holen. In diesem Falle war Herr Eckart Löhr (freiberuflicher Autor) bereit, den interessierten Schülerinnen und Schülern sowie uns Lehrern „beizubringen“, was ein Essay ist und wie man ihn schreibt. Dass sich dieser Schritt für alle Beteiligten gelohnt hat, kann man an den beeindruckenden Schreibleistungen unserer Schülerinnen und Schüler nachvollziehen. Die Essays von Laura Sieger, Marlene Buckstegge und Halil Hamurcu haben sich gegen die harte Konkurrenz mit wissenschaftlichem Anspruch, philosophischer Anmut und erzählerischer Individualität durchsetzen können und haben am „7. landesweiten Schülerwettbewerb Deutsch: Essay“ (Einsendeschluss: 08.07.2011) teilgenommen. Das Leibniz-Gymnasium Essen drückte die Daumen; überzeugt waren wir aber bereits. Im Herbst kam dann die Rückmeldung der Stiftung: Zwar konnte kein Preis errungen werden, jedoch gab es für jeden unserer Teilnehmer eine Urkunde mit handschriftlichem Kommentar, der ganz persönlich und differenziert auf die einzelne Schreibleistung anerkennend einging. Angesichts 120 Teilnehmern ist dies eine ausdrückliche Wertschätzung für das Talent unserer jungen Essayautoren. 


 

 

Marlene Buckstegge: 
Still und heimlich 
(Verändert das Lesen die Sicht auf die Welt?)

Und vieles meinen wir in Worten, die wir einfach von uns geben. Wir bekommen mit der Zeit ein Gespür dafür, was wirklich gemeint ist. Die Betonung macht es oft auch aus, aber sie verfremdet Dinge, da sie aus dem Mund eines anderen hervorkommen. Unsere eigenen Ansichten bestimmen oft unser Handeln, weil wir unsere Denkweise am anschaulichsten finden. 
Wenn wir am Tag etwas lesen, fällt es uns oft erst später wieder ein. Unbewusst nehmen wir nicht nur gesprochene, sondern auch geschriebene Worte wahr. Sie fallen in unseren Alltag und beschäftigen uns manchmal sehr, oft verarbeiten wir sie aber gar nicht. Lesen hat etwas mit Stille zu tun. Wenn wir uns genauer mit einem Text beschäftigen, sprechen nur die Worte, die aufgenommen werden, oder die der inneren Stimme. Beides vermischt sich. Einen Text können wir im Kopf zunichtemachen, ohne dass dieser protestiert. Wenn man es zulässt, hat Lesen etwas sehr Intimes an sich. Unser Gehirn verarbeitet und lässt neue Gedanken frei, die niemanden etwas angehen können. Dabei entstehen Ansätze einer Auseinandersetzung mit einem gelesenen Text.
Ein Film kann uns durch starke Bilder gut im Gedächtnis bleiben, aber der Zuschauer ist leicht beeinflussbar durch die Flut der Reize auf seine Sinne. Wenn wir lesen fehlt uns oft ein Teil, den wir selber bilden müssen. Wie ist etwas gemeint? Vor allem bei geschriebenen Worten muss mehr hinein interpretiert werden. Dies kann man am Beispiel eines Gedichts erkennen. Die verschiedenen Aussagen, Verschlüsslungen lassen viele Interpretationen zu.
Zum Thema Stille fällt uns oft nicht mehr viel ein. Wir leben in einem Alltag, der von Geräuschen geprägt ist, beim Arbeitsplatz, in der Schule, auf der Straße. Überall bestehen Töne. Beim Lesen schalten wir sie aus, befinden uns unter einer Glocke, die kaum etwas durchdringen lässt. Aber wir müssen es wollen, es zulassen. Erst dann können wir in einem Text versinken. 
Der Autor eines Textes ist ein Schöpfer. Er entwickelt etwas Neues, auch wenn alte Ideen dabei verwendet werden. Somit sind Texte aller Art individuell. In einem informierenden Text kann er auch einfach einen Sachverhalt darstellen. Dieser kann uns indirekt auffordern, etwas zu unternehmen.
Das Lesen von Texten im Laufe des Lebens ist ein Weg voller neuer Gedankengänge. Menschen, die ihren Lebensweg fast vollendet haben, können auf eine Vielzahl von Themen zurückblicken, die oft in Texten wieder zu finden sind. Während neue Katastrophen auftauchen, verändern auch die Autoren ihre Textthemen. Menschen des einundzwanzigsten Jahrhunderts müssen sich mit dem Klimawandel zwangsläufig beschäftigen, da er uns alle betrifft, somit entstehen Bücher, die mögliche Zukunftsbilder vorstellen, in denen Menschen mit Wasserstoffautos fahren oder sich schon einen neuen Planeten gesucht haben. Aktuelle Themen werden auch durch andere Weise vermittelt; in Filmen, Liedern usw. Jedoch müssen Leser aktiv an einen Text heran gehen. Der Leser bekommt einen Rahmen, da der Autor z. B. sachlich schreiben kann, somit ist es schwieriger für den Leser Emotionen zu entwickeln. Der Leser hat aber trotzdem einen großen Freiraum. Wenn wir mit anderen über einen Text reden, hat jeder seine eigene Meinung dazu, die vielleicht der eines anderen entspricht. Dadurch, dass der Leser bei einem Text sehr frei ist, entwickelt jeder seine eigenen Gedankengänge und macht sich ein anderes Bild. Lesen gibt einem Individualität, die wir in unserem Leben vielleicht verloren haben. Man lernt sich vor allem bei einem gelesenen Text besser kennen, da man sich automatisch Gedanken zu dem Gelesenen macht. Man steckt voller Ideen. Das fördert das Gehirn und man bekommt einen anderen Blick für bestimmte Dinge. Dass sich durch das Lesen nicht gleich die ganze Welt für einen verändert, bedeutet nicht, dass unsere Gedanken von Nichtigkeit bestimmt sind. Mit der Welt kann unsere gesamte Erdbevölkerung gemeint sein, sozusagen das Zuhause aller Menschen. Der Begriff Welt kann aber auch unsere Lebensweise meinen. Unsere Welt könnte nicht mehr in Ordnung sein, unser Alltag würde auseinander fallen, wenn wir die Ideen von einem Autor übernehmen.
Zurück zu den Themen, die ein Autor verwendet. Die Vampirwelt steht in jeder Buchhandlung erwartungsvoll im Regal. Wie alle Medien, vermitteln Bücher Informationen. Menschen, die sich das Lesen als Hobby ausgesucht haben, werden heutzutage oft von Nachtgestalten in die Welt der Dunkelheit verschleppt. Es ist Trend geworden Liebesgeschichten im Blutrausch zu lesen. Gefüllt sind diese Bücher mit der Liebe, der verführerischen Art des dunklen Wesens. Dinge, die unserer Welt so fern sind. Unsere Sehnsüchte nach ewiger Liebe sind in Worten gespiegelt. Und wir finden Bestätigung, können still und heimlich abtauchen. Und schon sieht die Welt ganz anders aus. Es sind zwar nur Worte, aber sie verfolgen uns. Abends wenn wir nach dem Thriller Angst haben alleine in den Keller zu gehen.
Ein guter Tänzer möchte an möglichst vielen Auftritten teilnehmen, ein guter Leser möchte viele Bücher lesen. Und die Sucht beginnt. Es gibt richtige Bücherwelten. Die einen beschäftigen sich mit den Problemen Jugendlicher, die anderen lassen lauter Abenteuer entstehen. Vor allem in Geschichten gibt es fiktive Personen, die uns alle oft an uns selbst erinnern. Der Autor zeigt die Probleme der Gesellschaft und wir erkennen sie als die unseren wieder. Oft ist es so schwer über etwas Intimes, sehr Persönliches zu reden, aber wenn Peter und Emily im Bücherregal an Ähnlichem leiden, finden wir einen Halt. Bücher können uns also aufbauen, wenn wir sie lesen. Wenn es uns besser geht, können wir auch gezielter mit unseren Mitmenschen umgehen. Dabei kann diese Verhaltensänderung uns neue Perspektiven geben. Wir sehen die Welt ganz anders. 

 

Laura Siegert: 
Verändert das Lesen die Sicht auf die Welt?

Ab einem gewissen Alter ist es ganz normal, ein paar Höflichkeitsstandards auszuführen. Man denkt nicht mehr über sie nach, sondern führt sie einfach aus. So hält nahezu ein jeder dem Menschen, der hinter einem das Kaufhaus betritt die Tür auf, oder steht für eine alte Dame oder einen alten Herren in Bus oder Bahn auf, damit diese sich setzen können. Wenn man sich nun die Frage stellt, wie diese üblichen Höflichkeitsstandards ihren Weg in unser Gedächtnis gefunden haben, liegt einem eine Antwort direkt auf der Zunge. Die Familie, sie hat es einem als kleines Kind beigebracht. Aber war es wirklich die Familie, die einem zeigte, was man zu tun und zu lassen hat, oder waren es doch andere Dinge, durch die einem diese Werte vermittelt wurden? Hat man nicht auch einiges durch Geschichten gelernt? Haben einem die Eltern nicht an manchen Tagen, in der frühen Kindheit, immer wieder die gleiche Geschichte vorlesen müssen? Es war doch immer wieder die gleiche Geschichte, die einem besonders gut gefallen hat. "Von seinen Eltern lernt man lieben, lachen, und laufen. Doch erst wenn man mit Büchern in Berührung kommt, entdeckt man, dass man Flügel hat." Natürlich, die Eltern haben sie für einen ausgesucht und letztlich auch gekauft. Aber den Eltern war ganz sicher klar, dass sie einen beeinflussen oder prägen würden, und sie haben sich gewiss gezielt für ein bestimmtes Buch entschieden, weil sie wussten, was es einem lehren würde, und wohin einen die Flügel, die mit dem ersten Buch, der ersten Geschichte, beginnen zu wachsen, einen tragen würden. Jede Geschichte, jedes Buch, das der Mensch liest, beeinflusst ihn. "Du öffnest ein Buch, und es öffnet dich". Angefangen bei Kinderbüchern, wie z.B. 'Momo', von Michael Ende. Zu Beginn des Buches gibt es eine Stelle, an der Momos Freund Beppo, der Straßenkehrer, mit Momo redet und versucht ihr zu erklären, dass es wichtig ist, beim Straßenkehren niemals an die ganze Straße zu denken, sondern immer nur an den nächsten Schritt, da dann die Straße kürzer erscheint. Hat man dieses Buch nur einmal gelesen, denkt man häufiger über diesen Satz nach. Immer wenn man beispielsweise im Beruf oder in der Schule eine Menge an Arbeit zu tun hat, denkt man an Beppo den Straßenkehrer, und somit daran, sich die Arbeit einzuteilen. Das Lesen dieses Buches oder eines anderen Kinderbuches führt sicherlich nicht dazu, dass man einen anderen Blick auf die Welt erhält, aber es zeigt doch, was für eine Wirkung ein Buch auf den Leser haben kann. Geschichtenbücher sind für die meisten Kinder, die mit ihnen aufgewachsen sind, unabdingbar, so wie in dem folgenden Zitat: " 'Aber was fangen diese Kinder ohne Geschichtenbücher an?', fragte Naftali. Und Reb Zebulun gab zur Antwort:' Sie müssen sich damit abfinden. Geschichtenbücher sind nicht wie Brot. Man kann ohne sie leben.' 'Ich könnte nicht ohne sie leben', meinte Naftali" .Wenn man nun älter wird und sich seine Lieblingsbücher von damals ansieht, fallen einem mit Sicherheit ein paar Dinge ein, die man mit dem ein oder anderen Buch verbindet und die einen zum Schmunzeln bringen. So hat vielleicht der ein oder andere Fan von Joanne K. Rowlings 'Harry Potter' mit elf Jahren vergeblich auf seinen Brief aus der in dem Roman auftretenden Zauberschule gewartet, weil er tatsächlich glaubte, oder zumindest hoffte, diese Schule würde existieren. Dieses Beispiel belegt außerdem sehr gut, dass ein Buch, speziell ein Fantasy-Buch, dem Leser eine gewisse Fantasie-Welt eröffnet, in die er sich bei Bedarf flüchten kann, wenn ihm die reale Welt einmal zu sehr gegen den Strich gehen sollte. "Bücher sind fliegende Teppiche ins Reich der Fantasie" . So findet man als Leser einer Fantasy-Lektüre sehr schnell die vermeidlichen Fehler der realen Welt. Man glaubt zu wissen, warum die Fantasie-Welt des Autors so viel schöner erscheint. Gleichzeitig wird man nahezu automatisch zum Denken angeregt, man überlegt sich nach jedem Ausflug in die Welt der bedruckten Seiten, warum all die Dinge, die einem eben noch so viel Freude bereiteten, nun wieder hinter dem Buchumschlag verschwunden sind. Warum gibt es keinen Superman im realen Leben? Wäre es nicht einfacher, wenn es im ganzen Land einen einzigen Helden gibt, der sich um alle Probleme der einfachen Leute kümmert und immer zu den Guten hält? Eine Antwort darauf hat gewiss niemand sofort, aber den Wunsch nach dieser Situation ist genau das, was manche Autoren als Anreiz sehen um zu schreiben. Sie wollen dem Leser genau das geben, was er möchte. Und der Leser wünscht eine perfekte oder eine für ihn perfekte Welt. Was der Autor sich nun beim Schreiben des Buches denkt, hat mit den Gedanken des Lesers, wenn er das Buch schließlich in den Händen hält, allerdings nur noch wenig zu tun. So stecken vielleicht ganz andere Intentionen des Autors in seinem neuen Werk, als jene die der Leser glaubt erkannt zu haben. Schaut man nun über den Rand der Fantasie-Welten des Autors und wendet sich Sachbüchern zu, findet man ganz schnell die Erkenntnis, dass man von ihnen noch wesentlich mehr beeinflusst wird, und dieses auch noch wesentlich stärker vom Autor gewollt ist. So hat man sich als Leser und somit auch meist als Käufer eines solchen Buches gezielt für ein bestimmtes Thema entschieden, über welches man gerne noch mehr erfahren möchte. Durch das Lesen eines Sachbuchs erweitert sich natürlich der Wissenshorizont des Lesers. Aber es ist doch vor allem bei Sachbüchern wirklich gewollt, dass der Leser sich noch mehr Gedanken über das geschilderte Thema macht und die Gedanken des Autors nachvollziehen kann bzw. versteht, und sich daraus eine gewisse eigene Meinung zu einem Thema bildet. Denn kein Buch wird einfach nur geschrieben, damit der Leser die Gedanken des Autors den eigenen hinzufügt, sondern sich seine eigenen macht. Liest man nun ein neu gekauftes Buch, zunächst voller Vorfreude, erfreut sich dann an seinem Inhalt, um es dann noch einmal kritisch zu lesen. Dies ist zumindest in einigen Fällen der Fall, natürlich gibt es aber auch Bücher, die man nur einmal liest, da sie dann in der Ecke verschwinden, oder gar nicht erst zu Ende gelesen werden, weil deren Inhalt plötzlich doch nicht mehr ansprechend erscheint oder aber den Erwartungen des Lesers einfach nicht standhält. Denn, "manche Bücher müssen gekostet werde, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man, und verdaut sie ganz." So sind es ganz gewiss nicht die lediglich 'gekosteten', und schließlich in Zimmerecken verstaubenden Bücher, die die Sicht des Lesers auf die Welt auf eine großartige Art und Weise beeinflussen, aber auch sie regen einen kleinen, vielleicht auch nur einen winzig kleinen Denkprozess beim Menschen an. Jedoch gilt es zu beachten: "Kein gutes Buch oder irgendetwas Gutes zeigt seine gute Seite zuerst." Es kann also eine Weile dauern, bis man bei einem Buch auf den Geschmack kommt, und sollte es nicht direkt nach einer gelesenen Seite zuklappen und als nicht lesenswert abtun. Auch wenn in diesem Gegensatz die Aussage steht: "Schreibe den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten Lesen will." Man merkt jedoch sehr leicht, welches der beiden Zitate an welcher Stelle, bei welchem Buch angebracht erscheint, und sollte ein Buch einem einmal wirklich nicht gefallen, oder nicht einmal lesenswert erscheinen, so wird beispielsweise dem besten Freund oder der besten Freundin von dem schlechten Buch erzählt, welches man vor ein paar Tagen vielleicht gemeinsam gekauft hat, und sich zu viel von ihm versprach. Man spricht schlecht über ein Buch, aber man weiß, dass es einen selbst beeinflusst hat, oder einem zumindest geholfen hat zu erkennen, dass man selbst ganz anderer Ansicht ist als der Autor und ihn, in dem im Buch genannten Zusammenhang nicht verstehen kann. Wenn einem nun ein Buch gefällt, man es liest, es verschlingt, und immer und immer wieder liest, wird man jedoch merken, dass man sich selbst immer wieder dabei erwischt, wie man außerhalb der Welt der bedruckten Seiten immer mehr Leuten davon erzählen wird. Man schwärmt von den wohlgewählten Worten des Autors, zitiert die weisen Worte, wo es nur geht, und wirft in jedes Gespräch an passender Stelle den Satz "...das ist genauso, wie in meinem Lieblingsbuch. Du musst es unbedingt lesen..." Nun gibt es ja aber nicht nur die Leseratten, sondern auch solche, die überhaupt nicht lesen wollen. Solche, die von panischer Angst befallen werden, wenn es um das Lesen von Büchern geht, und sich mit aller Kraft gegen die gebundenen Seiten wehren. Allerdings macht die Schule diesem Verhalten bereits in früher Kindheit einen Strich durch die Rechnung. Es muss gelesen werden. Jeder Mensch muss lesen. Bücher muss er lesen, der Mensch. Aus dem ersten Deutschbuch in der Grundschule wurden Geschichten vorgelesen, weil man es zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig beherrschte. Auf der weiterführenden Schule folgten dann die Lektüren, und im Politik-, Erdkunde- und Geschichtsunterricht kamen schließlich die Texte, die versuchten einem beizubringen, wie die Welt funktioniert. Texte, bzw. Bücher waren es, die einen mit einem klaren Ziel über mindestens ein Jahr hinweg in der schulischen Laufbahn begleiteten. Zuerst ging es um das Lernen, den Erfolg, die guten Noten. Langfristig betrachtet geht es in den meisten Schulbüchern aber noch immer ganz klar um die Schulung des eigenen Denkens. "Der wahre Zweck eines Buches ist, den Geist hinterrücks zum eigenen Denken zu bewegen." Jedes Buch, jeder Artikel, der von einem Menschen irgendwo auf der Welt gelesen wird, beeinflusst also die Sicht auf seine Welt. Denn jedes Buch erzählt eine neue Geschichte, auch wenn sich einige ähneln, gleichen sie sich niemals. Bücher bringen einem Geschichten von fremden Orten nah und manche Autoren schaffen es sogar mit ihren Worten einen Geruch so genau zu beschreiben, dass man gar glaubt, man würde ihn riechen. Auch wenn man ihn tatsächlich noch niemals gerochen hat. Man stellt sich den Geruch nun genauso vor, wie er von dem Autor beschrieben wurde und ist, sollte man tatsächlich einmal dazu kommen diesen Geruch zu riechen, vielleicht sogar ein bisschen enttäuscht wenn er anders ist, als man es sich immer vorgestellt hat. Und trotzdem wird man das Buch wieder lesen, weil es einen geprägt hat, es hat einem die Sichtweise des Autors gezeigt. Es hat gezeigt, wie der Autor verschiedene Dinge wahrnimmt, und hat auch den eigenen ersten Eindruck entscheidend geprägt. Jedes Buch beeinflusst somit auf irgendeine Art die Sicht auf die Welt. Natürlich kann es auch passieren, dass man ein Buch liest, welches einem vermitteln möchte, dass die Welt schlecht ist, und es nichts gibt, was sie gut macht, und es nichts geben würde, was einem Menschen den rechten Weg weisen könnte. Doch man sollte an dieser Stelle wissen, dass es selbstverständlich Autoren gibt, die einer anderen Auffassung sind und das genaue Gegenteil behaupten. Denn "von allen Welten die der Mensch geschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste" , und gleichzeitig die, die einem immer einen Ausweg aus trostlosen Situationen vermitteln kann, weil sie aus zahlreichen Werken besteht, die von den verschiedensten Menschen verschieden gedeutet werden können, und somit zumindest immer die persönliche Welt des einzelnen Menschen verändern und bereichern.

 

Halil Hamurcu: 
Einem Kind „Familie“ erklären

Heute ist wieder eine dieser Nächte, in der ich einfach kein Auge zudrücken kann. Es gehen mir einfach zu viele Dinge durch den Kopf und es scheint, als würde sich mein Gehirn gegen den ersehnten Schlaf wehren. Ich stehe auf und laufe durch das Zimmer, um möglicherweise auf andere Gedanken zu kommen. Ein Blick durch das Fenster offenbart mir den Eifelturm, welcher erheblich größer ist, als ich ihn mir früher immer vorgestellt hatte. Irgendwie habe ich mich auch immer noch nicht an die Kälte hier richtig gewöhnen können, schließlich war es selbst im Winter nicht so kalt in Libyen. Meine Mutter hatte damals gesagt, ich solle meine Jacke mitnehmen, doch ich hatte nicht auf sie gehört. Gott sei Dank hatte ich an den gefälschten Ausweis gedacht. Ich erinnere mich noch an unser letztes Gespräch am Flughafen. „Warum schickt ihr alle Kinder aus dem Dorf weg?", hatte ich sie gefragt. Sie antwortete: „Es ist viel zu gefährlich, ihr könnt nicht länger hier bleiben! Wir werden so schnell wie möglich nachkommen, versprochen!" Das ist nun etwa drei Jahre her. Seitdem haben wir nichts mehr von den da Gebliebenen gehört.
Obwohl es anfangs einige Schwierigkeiten gab, haben wir uns inzwischen hier eingelebt. „Vergesst eure alte Familie einfach, hier ist eure neue Familie“, warnt uns Rashid immer. Er ist mit 17 Jahren der Älteste bei uns und zeitgleich auch der einzige der die französische Sprache ausreichend beherrscht und auch eine feste Arbeit hat. Wir nennen ihn insgeheim "Papa", weil er der Klügste bei uns ist. Jasmin verfügt über ausgezeichnete Kochkünste. Sie ist ein Jahr jünger als Rashid und regelt den gesamten Haushalt. Wenn man mal ein Problem hat, dann ist sie die erste, mit der man darüber redet und die einen dann aufmuntert. Auch wenn Jasmin und Rashid sich oft streiten, frage ich mich manchmal, was wir nur ohne die beiden tun würden. Dann ist da noch Jamal. Er ist mit 12 Jahren nur ein Jahr jünger als ich und deshalb verstehen wir uns hervorragend und verbringen viel Zeit miteinander. Meistens versuchen wir zusammen auf der Straße etwas Geld zu verdienen, indem wir für verschiedene Leute Kleinigkeiten erledigen, wie z. B für sie einzukaufen oder beim Tragen zu helfen. Das macht uns zwar nicht reich, doch Rashid freut sich immer, wenn wir abends mit einer Hand voll Kleingeld nach Hause kommen. „Gut gemacht Jungs!", lobt er dann meistens. Das letzte Mitglied unserer "Familie" ist der kleine Ahmed. Er war damals erst vier Jahre alt, als wir hier hergekommen sind und seitdem bin ich sowas wie ein großer Bruder für ihn. Ahmed ist ein sehr neugieriges, kluges Kind und manchmal beneide ich ihn wirklich sehr dafür.
Anfangs bestand unsere Gruppe noch aus zehn Leuten. Zwei von ihnen sind während der Zeit, seit wir hier angekommen sind, erkrankt und kurze Zeit später verstorben, da wir nicht genug Geld für Medikamente besaßen. Die anderen drei haben sich vor etwa einem Jahr mit Rashid gestritten und uns verlassen. Darunter war auch meine leibliche, große Schwester Sonia. Sie hatte mir, bevor sie gegangen ist, einen großen Radiergummi geschenkt und gesagt, dass es mich an sie erinnern soll. Als ich angefangen habe, schreiben zu lernen, hat er mir gute Dienste geleistet. Es wurde zwar mit der Zeit ein Stückchen kleiner, doch er hat nicht viel von seiner anfänglichen Pracht verloren. Nachdem Sonia weggegangen ist, habe ich Rashid nach dem Grund dafür gefragt, aber er hat mir nur geantwortet, dass es mich nicht interessieren würde und ich mich in der Zukunft von ihr fern halten soll.
Doch das ist nicht die Sache, die mich gerade beschäftigt, sondern noch etwas viel Banaleres. Kurz bevor ich heute, wie jeden Abend, Ahmed ins Bett gebracht habe, hat er mir eine Frage gestellt, die ich ihm nicht beantworten konnte. "Was bedeutet Familie?" fragte er mich mit seinen vor Neugier glänzenden Augen. Er hatte es bestimmt draußen beim Spielen von den anderen Kindern gehört und da er bei uns aufgewachsen ist, konnte er auch nicht viel mit diesem Begriff anfangen. Egal wie sehr ich darüber nachgedacht habe, ich konnte ihm keine eindeutige Antwort geben. Ich habe mich herausgeredet, indem ich erwidert habe: „Ich erzähle es dir morgen, du musst nun schlafen!“ Aber er wird morgen sicherlich eine Antwort von mir erwarten. Inzwischen weiß ich aber, wie ich ihm es erklären werde. Ich werde ihm folgende Geschichte erzählen, die mir vor einigen Wochen widerfahren ist, wovon ich fest überzeugt bin, dass sie seine Frage beantwortet:
Es war eigentlich ein gewöhnlicher Tag und ich war gerade in der Stadt unterwegs auf der Suche nach Arbeit. An dem Tag schien zwar die Sonne am Himmel, doch sie wärmte nicht und es war sehr kühl, wir waren schließlich schon im Spätherbst. Gerade lief ich eine um diese Uhrzeit normalerweise leere Seitenstraße entlang, als mich unerwartet eine eiskalte Hand von hinten an die Schulter packte. Ich zuckte kurz zusammen, und das zu Recht, denn die Hand, die mich berührte, gehörte Sonia. „Nicht erschrecken, ich bin es “, flüsterte sie. Es war schon irgendwie merkwürdig, jemanden, dem man mal so nahe stand, nach langer Zeit wiederzusehen. Ich erinnerte mich an Rashids Rat und fragte sie ganz kühl: „Was willst du von mir?". „Freust du dich gar nicht, deine eigene Schwester wiederzusehen?", fragte sie. Auf der einen Seite hatte ich sie schon vermisst, doch ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl bei diesem Treffen, weshalb ich es für angemessen hielt, einfach zu schweigen. "Naja, wie auch immer, ich brauche deine Hilfe", fuhr sie fort. Das war also der Grund für dieses Treffen. Wir waren uns nicht, wie ich naiver Weise gedacht hatte, aus Zufall begegnet, sondern sie war mir nachgelaufen. "Wobei denn?", fragte ich neugierig. Sie antwortete aber nur: "Das ist egal, bist du dabei oder nicht?" Auf meinem unwohlen Gefühl basierend stotterte ich leise und verunsichert: "Nein! ". Ihr noch milder Gesichtsausdruck wandelte sich plötzlich in eine Mischung aus Wut und Ungeduld und in dem Moment wurde mir klar, dass sie hier ohne meine Einwilligung nicht weggehen würde. "Hör zu! Ich bin deine leibliche Schwester und du musst mir helfen, ob du willst oder nicht! Du hast gar keine andere Wahl!", schrie sie mich in ihrer nun stark angehobenen Stimmlage an. Ich denke, ihre Worte haben schon für sich gesprochen und wenn ich weiterhin nicht kooperiert hätte, hätte sie mich bloß mit ihrem eiskalten Blick töten können. Zumindest kam es mir in dem Moment so vor. „Wir treffen uns morgen an der Rue de Palais vor dem Kiosk um 23:00 Uhr. Sei ja pünktlich und wage es nicht zu Hause davon zu erzählen!", fuhr sie mich an. 
Am nächsten Abend stand ich dann dort vor dem Kiosk. Es war sehr kalt, genau wie heute Nacht und es begann langsam zu regnen. Es fuhren weder Autos noch Busse, wodurch der Aufprall der Regentropfen auf dem Asphalt sich als das einzig hörbare Geräusch darstellte. Mir fiel auf, wie sehr ich diese Ruhe vermisst hatte, besonders seitdem wir hierhergekommen sind. Als ich mich schon fast an sie gewöhnt hatte, wurde diese Stille durch hektische, schnelle Schritte auf dem nassen Bürgersteig unterbrochen. Es waren Sonias Schritte. Unsere Begegnung kam diesmal ohne Begrüßung aus, denn sie begann mit der Unterhaltung wie folgt: "Hör mir genau zu! Ich werde mir das Geld aus dem Kiosk da drüben schnappen, während du hier wartest und sicherstellst, dass die Luft rein ist." Meine Befürchtungen hatten sich bestätigt und mir wurde von Minute zu Minute unwohler. Sonia lief mit raschen Schritten auf die gegenüberliegende Straßenseite und blieb vor dem Fenster des Ladens stehen. Sie griff in ihre Tasche und es kam ein recht großer Hammer hervor, mit dem sie durch einen flinken Hieb die Fensterscheibe in tausende Splitter zerbrach. In diesem Moment geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Der Alarm schallte plötzlich auf! Sonia geriet in Panik, was man an den Schweißperlen an ihrer Stirn und ihrem verzogenen Gesichtsausdruck erkennen konnte. Nachdem der Schockmoment vorüber war, stieg sie durch das Fenster in den Kiosk, wonach ich sie nicht mehr sehen konnte. Die Minuten, die danach vergingen, waren lang und qualvoll, da mir diese Situation fremd war und gefährlich erschien. Als ich dann in der Ferne das Geräusch von Sirenen hörte, was sich immer näher in unsere Richtung bewegte, begann mein Herz zu rasen. Eine gefühlte Ewigkeit später kam Sonia aus dem Kiosk mit zwei kleinen Säcken heraus, von denen sie mir eine in die Hand drückte. „Lauf!", rief sie und das ließ ich mir sicher nicht ein zweites Mal sagen. Man konnte inzwischen schon das Blaulicht der Polizei am Ende der Straße sehen und durch die Lautstärke waren meine Ohren schon taub geworden. Ich folgte Sonia in eine enge Seitengasse, doch hinter uns hörte man nun nicht nur die Schritte einiger Männer, sondern auch das Bellen eines blutdurstigen Hundes. Ich spürte nun meine Beine fast überhaupt nicht mehr, es war so als würden sie von alleine laufen. Plötzlich blieb Sonia entsetzt stehen. Die Gasse endete an einem Zaun und es gab keinen Ausweg. Ich war in diesem Moment komplett erstarrt, aber Sonia bewahrte einen kühlen Kopf. Sie warf den Sack über den Zaun und rief: "Schnell, hilf mir über den Zaun!" Ich tat, wie es mir befohlen wurde und nach wenigen Sekunden war sie über eine Räuberleiter, wie wir es schon aus unserer Kindheit gewohnt waren, auf der anderen Seite. Die Schritte kamen immer näher und näher, und ich versuchte meine Angst für einen Moment zu unterdrücken, aber es gelang mir nicht. „Schnell, schmeiß die Beute herüber, dann helfe ich dir über den Zaun", schrie Sonia. Dies war der Weckruf, der mich aus der Gedankenwelt herausriss. Ich beförderte den Sack mit einem Schwung auf die andere Seite und ging schon mal in Stellung, um herüberzuklettern, doch dann geschah etwas, was ich mir niemals erdacht hätte. Anstatt mir zu helfen, sagte sie nur mit ihrer kühlen Stimme: „Tut mir Leid", woraufhin sie beide Säcke in die Hand nahm und weglief. In diesem Moment brach die Welt zusammen. Ich konnte nichts mehr hören oder sehen und es fühlte sich an, als würde mein Herz in sich zusammenfallen. Sie hatte mich einfach hier stehen lassen, allein im Regen. Die immer näher rückenden Männer und der Hund waren mir nun auch egal, von mir aus konnten sie mich umbringen, vielleicht hatte ich das sogar verdient. In meiner Verzweiflung stand ich weinend da und wartete auf mein Ende.
Plötzlich packte jemand an meiner Hand und zog mich mit Gewalt hinter eine Gruppe von Mülleimern auf der rechten Seite. Es dauerte einen Augenblick, bis ich dies realisiert hatte. Aber als es soweit war, wollte ich losschreien, doch er hielt mir mit seiner Hand den Mund zu. In dem Moment wusste ich, wer mein Retter war; es war Rashid. Ich erkannte seine Hand, seinen Geruch und selbst sein Atem war mir bekannt und vertraut. Erneut lief eine Träne meine Wange herunter, die Rashid glücklicherweise durch den Regen nicht erkennen konnte, weil er es nicht gerne sieht, wenn jemand weint. Doch die Sache war noch nicht überstanden, denn jetzt trafen die Polizisten mit ihrem nun verrückt spielendem Hund in der Gasse ein und suchten alles mit ihren Taschenlampen ab, aber glücklicherweise konnte uns das Biest durch den Gestank des Mülls nicht ausfindig machen. Nach wenigen Minuten brachen sie ihre erfolglose Suche ab und zogen davon. Auch der Regen hatte schon aufgehört und ich kam zusammen mit Rashid hinter den Mülltonnen hervor. Es gab jedoch noch eine Sache, die ich, bevor wir nach Hause gingen, erledigen musste. Ich nahm den Radiergummi aus meiner Hosentasche hervor und betrachtete ihn. Er war ganz klein und schrumpelig geworden und hatte nichts mehr mit seiner einstigen Form gemeinsam. Wütend öffnete ich den Deckel eines Mülleimers und warf ihn hinein, womit ich mein letztes Vertrauen gegenüber Sonia verlor.
Der wichtigste Teil dieser Geschichte ist hier zwar zu Ende, doch ich möchte noch ein wenig vom folgenden Tag erzählen, an dem ich und Rashid gemeinsam in die Stadt gegangen sind. Ich wusste erst einmal nicht genau, was der Anlass dafür war, da Rashid nur erwiderte, dass es eine Überraschung werden würde. Das war es letztendlich auch, weil wir uns zuerst in einen Schreibwarenhandel begaben und einen neuen Radiergummi kauften! Er war sogar noch größer und prachtvoller als mein Alter. Anschließend gingen wir in eine Bäckerei und Rashid kaufte ein extragroßes Baguette, wovon er eigentlich immer behauptet, dass es zu teuer sei. Als wir am späten Nachmittag zu unserer Baracke zurückgingen, empfingen uns die anderen mit neugierigen Blicken an der Tür. Während sie mich mit großer Freude umarmten, fühlte ich diese einzigartige Wärme, wie damals in Libyen mit meinen Eltern. Das gemeinsame Abendessen, an dem wir unser Baguette mit etwas Käse teilten, wird für mich auf jeden Fall unvergesslich bleiben.
Ich habe nun auch keine Bedenken mehr, dass ich heute Nacht gut schlafen werde. Ich bin mir sicher, dass ich Ahmed den Begriff „Familie“ gut erklären werde, wenn ich ihm von meinem Erlebnis erzähle, und hoffe er, wird verstehen, dass das Blut nicht das Wichtigste bei einer Familie ist.

 

Juliane Vollmer: 
Verändert das Lesen die Sicht auf die Welt?

Auf dem Weg mit der Bahn nach Hause begegnet mir ein knallrotes Schild mit dem Aufruf „Besser iss das!“, darunter der Hinweis, dass in 200 Metern ein Fastfood-Restaurant zu finden ist. Mein Magen macht sich unsanft bemerkbar, meine Füße steuern den ungeliebten, nach altem Fett riechenden Ort schon an und ich frage mich, ob das wirklich sein muss. Aber so funktioniert unser Gehirn – von fast allem, was wir lesen, lassen wir uns gnadenlos beeinflussen. Dabei möchte sich doch jeder von uns eine möglichst selbstständige eigene Meinung bilden! Doch auch das macht das Lesen möglich. Denn mit dem Lesen verändert sich etwas in unseren Köpfen. Wir wissen nicht nur mehr, je mehr wir lesen, es ändern sich auch unsere Vorstellungen von bestimmten Sachverhalten, Meinungen und Sichtweisen auf Dinge. 
So hat zum Beispiel jeder von uns eine eigene Vorstellung von Liebe. Lesen wir nun einen Liebesroman, in dem eine perfekte Beziehung voller Romantik und Vertrauen beschrieben wird, gleichen wir unsere Erwartungen an diese vorgestellte Beziehung an. Doch Liebeslektüre muss nicht unbedingt aktuell sein – Beispiele, wie Autoren sich die Bilder von Liebe in den Köpfen der Leser zunutze machen und diese weiterformen, findet man schon in der Antike. So schrieb bereits Gaius Valerius Catullus im ersten Jahrhundert vor Christus Zeilen wie „Quis me uno vivit felicior aut magis hac red optandas vita dicere quis poterit?“ („Carmen 107“), zu Deutsch „Wer lebt glücklicher als ich allein oder wer wird in diesem Leben mehr wünschenswerte Dinge sagen können?“, um diese glücklichen Aussagen im nächsten Gedicht zu widerlegen. In „Carmen 8“ heißt es nämlich „Nunc iam illa non vult; tu quoque, inpotens, […] nec miser vive, sed obstinata mente prefer, obdura!“, was auf Deutsch so viel wie „Nun will jene nicht mehr; auch du, Ohnmächtiger, […] lebe nicht erbärmlich, sondern ertrage mit deinem festentschlossenen Geist, halt es aus!“ heißt. Es wird deutlich, dass dieser große römische Dichter nicht an die perfekte Beziehung, die vollkommene Liebe glaubt. Je nachdem, ob wir nun die romantische Schnulze oder die antiken Gedichte gelesen haben, verändert sich unsere Vorstellung von Liebe und Beziehungen. Waren früher „alle Männer gleich“, rückt der Liebesroman dieses Bild vielleicht wieder gerade – oder eben andersherum.
Wo wir gerade bei Gefühlen sind - was fühlen wir, wenn wir ein Buch in die Hand nehmen? Die meisten Menschen fühlen sich nun an ihre Kindheit erinnert, an die Zeit, in der Mama und Papa abends an unseren Betten gesessen und Märchen von Prinzessinnen und Drachen vorgelesen haben. Diese Geschichten haben uns geprägt. Nicht nur die Erinnerung an Mamas vertraute Stimme und an das schummrige Licht der Nachttischlampe bleiben hängen, auch andere Werte und Verhaltensweisen, die den Kindern durch Märchen und Fabeln vermittelt werden sollen, begleiten uns ein Leben lang. Wenn Rotkäppchen also so gutmütig ist und dem bösen Wolf erzählt, wo die Großmutter wohnt, um hinterher feststellen zu müssen, dass dieser ihre Naivität schamlos ausgenutzt und die geliebte Großmutter gefressen hat, überlegt das kleine Kind in uns lieber zweimal, bevor es mit Informationen rausrückt.
Auch in moderneren Geschichten findet man eine Moral, die den Blick des Lesers auf die Welt und auf unsere Mitmenschen verändert. Diese wenn auch oft nicht klar formulierte Moral nehmen sich die Leser zu Herzen, indem sie unbewusst den heldenhaften Hauptcharakteren eine Art Vorbildfunktion einräumen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der siebenteilige Roman „Harry Potter“, geschrieben von der Engländerin Joanne K. Rowling. Hier retten die drei jugendlichen Zauberer Harry, Hermine und Ron die gesamte Zaubererwelt vor ihrem Untergang. Dabei entwickelt sich zwischen den dreien eine tiefe Freundschaft, die auch von verschiedenen komplizierten Liebesbeziehungen und selbst dem Bösen in Person nicht gestört werden kann. Die drei gehen über ihre eigenen Grenzen hinaus, tun instinktiv immer das Richtige und werden so zu Helden, die sich in unseren Köpfen festsetzen. Andrew Futral, der Frontmann der amerikanischen Rockband ,,The Age of Rockets” brachte dieses Phänomen auf den Punkt: „ ,,Harry Potter” is about confronting fears, finding inner strength and doing what is right in the face of adversity.“ Wer einen solchen Roman, der viele von uns von klein auf begleitet hat, liest, glaubt an das Gute im Menschen, an wahre Freundschaft und daran, dass das Böse besiegt werden kann. Eine solche Vorstellung beruhigt uns und setzt sich deswegen in unseren Köpfen fest. 
Generell ist für unsere Sicht auf die Welt unser Menschenbild von besonderer Bedeutung. Glauben wir an das Gute im Menschen, daran, dass alles Schlechte, was wir tun und denken, von der Gesellschaft veranlasst ist? Oder halten wir den Menschen für von Natur aus schlecht und sind der Meinung, wir befänden uns in einem Krieg aller gegen alle, wenn es keine Gesetze gäbe, die uns zähmen? In jedem von uns schlummert ein Menschenbild, sei es nun gut oder schlecht. Allerdings merkt man davon nicht viel, bis man sich wirklich damit beschäftigt. Die beiden berühmtesten Persönlichkeiten, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, waren die Philosophen Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau. 1651 veröffentlichte Hobbes sein Werk „Leviathan“, in dem er nicht nur staatsphilosophische Theorien behandelte, sondern sich auch intensiv mit dem Menschen beschäftigte, insbesondere mit dem sogenannten „Naturzustand“ und welche Veränderung sich durch die Gesellschaft vollziehen. „Wer hierüber noch niemals nachgedacht hat, dem muss allerdings auffallen, dass die Natur die Menschen so ungesellig gemacht und sogar einen zu des andern Mörder bestimmt habe […]“, so Hobbes. Rousseau dagegen hält den Naturzustand für den besten Zustand des Menschen und macht die Gesellschaft für unsere Leiden verantwortlich: „[…] das sind die Beweise dafür, dass die Mehrzahl unserer Leiden unser eigenes Werk sind und dass wir sie beinahe alle vermieden hätten, wenn wir die einfache, gleichförmige und solitäre Lebensweise beibehalten hätten, die uns von der Natur vorgeschrieben wurde.“, schreibt er in seinem Werk „Der Mensch als von Natur aus gut“. Welche der beiden Meinungen man auch hat – das Lesen dieser Werke bringt uns dazu, zu erkennen, was wir wirklich für ein Menschenbild haben. Also beeinflusst das Lesen uns nicht nur, sondern kramt auch nie gekannte Meinungen oder Vorstellungen aus uns hervor und bringt diese ans Licht.
Uns ist nun klar, dass wir uns von dem, was wir Lesen, manchmal beeinflussen lassen, oder dass der vorliegende Text eine schon vorhandene Meinung in uns aufpoliert und verstärkt. Ein Text, den wir lesen, kann aber auch eine völlig neue, nicht gekannte Meinung in uns heranreifen lassen. Vielleicht waren wir bis jetzt bekennende Grillfans und Fleischesser, stoßen dann aber zufällig auf einen Text über Massenhaltung von Tieren. Handelt es sich hierbei um eine Argumentation, kommen wir mit pro und contra zu diesem Thema in Berührung und können uns danach eine eigene Meinung bilden. Finden wir nun heraus, dass Tiere teilweise unter schrecklichen Bedingungen leben, und überdenken unsere bisherige Einstellung, suchen wir mehr Informationen über dieses Thema, das uns jetzt, wo es unser eigenes Leben betrifft, immer mehr interessiert. Irgendwann hat sich dann eine Meinung in die eine oder andere Richtung so weit gefestigt, dass wir diese durchsetzen wollen. Wir suchen andere Menschen, die dieselbe Meinung haben, tauschen Nachrichten und Informationen untereinander aus. Bestimmte neue Nachrichten oder Erkenntnisse können für diese anderen Menschen der Auslöser, der letzte Tropfen im Glas, sein, sich der eigenen Meinung anzuschließen. Diese Theorien der Nachrichtenverbreitung und Meinungsbildung gelten aber nicht nur für unser Beispiel, sondern auch für andere Situationen. Nach diesem Muster entstehen Revolutionen!
Verfolgt man diese Theorie bis zum Ende, erkennt man: was bei einem kleinen Text anfängt, der die Aufmerksamkeit eines Einzelnen auf sich zieht, endet eventuell irgendwann bei einer Veränderung, die die ganze Welt betrifft. Lesen verändert demnach nicht nur die Sicht der Menschen auf die Welt, sondern auch die Welt selbst. 
Wenn ich also das nächste Mal am altbekannten Schild vorbeifahre, frage ich mich lieber zwei Mal, ob ich aus freien Stücken den Weg zu Burger und Co. einschlage oder ob ich dem Willen einer großen Firma gehorche, die ihren Einfluss durch Lesen auf mich ausübt. Und vielleicht sehen sogar Sie nach dem Lesen dieses Textes den einen oder anderen Teil unserer großen Welt ein bisschen anders? Wer weiß das schon – denn die Weltsicht lässt sich nicht steuern.


Quellen:
Gaius Valerius Catullus: Carmen 107. Carmina.
Gaius Valerius Catullus: Carmen 8. Carmina.
Kersting, Wolfgang [Hrsg]: Thomas Hobbes: Leviathan. Oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. 2. bearbeitete Auflage. Berlin: Akademie Verlag 2008
Rippel, Philipp [Hrsg u Übers]: Rousseau, Jean-Jacques: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. Ditzingen: Reclam 2009

 

René Frydysiak: 
Was bedeutet einem die Familie?

Mensch sein geht nicht einsam,
denn Mensch sein lernt man gemeinsam.
Mit Anderen bestimmte Dinge erleben
und das ein oder andere bewegen.
Der Mensch in seiner Position, als Teil der Gattung der "höheren Säugetiere" ist ein Gesellschaftswesen. Der Mensch kann nur in der Gruppe existieren, denn ohne soziale Bindungen und soziale Kontakte ist der Mensch nicht lebensfähig. Da der Mensch evolutionsmäßig als "Herdentier" einzuordnen ist, würde er psychisch kaputt gehen und dies würde ihn schließlich um den Verstand bringen. Er würde als verstandloses Wesen ("Geisteskrank") oder im Suizid verenden. Doch solange der Mensch ein soziales Umfeld besitzt, kann er sich entfalten, denn der Mensch ist ein Entdecker und strebt immer nach neuem Wissen.
Denn alleine geht der Mensch zu Grunde,
jeder Moment wächst zu einer langen Stunde.
Lange Stunden, die kaum zu vergehen scheinen,
Momente, in denen Menschen weinen.
In der Einsamkeit gefangen würde jeder Moment wie eine Ewigkeit erscheinen, da der Mensch sein tun und handeln niemanden zeigen kann. Der Mensch würde psychisch geschwächt werden, wenn er nicht zeigen könnte, wer er ist oder was er getan hat, denn Menschen müssen sich mitteilen und brauchen Bestätigung. Zusätzlich ist die Einsamkeit die Zeit, in der man beginnt Selbstzweifel zu hegen und über alles nachzudenken. Dies sind dann nicht selten die Momente, in denen der Mensch emotionaler wird und Empfindungen wie Trauer auslebt.
Doch Momente, die man gemeinsam erlebt,
sind die, in denen man sich zur Seite steht.
Man braucht sie zum Leben, sie geben Kraft,
sie sind der Grund warum man morgens erwacht.
Das Gemeinschaftsgefühl baut den Menschen auf. Starke soziale Bindungen - egal ob es Freundschaft oder Liebe ist - geben dem Menschen Kraft und ein frisches Lebensgefühl. Er hat Freude an seiner Existenz und Gründe sein Leben fortzuführen. Die gemeinsamen Momente prägen die Erinnerungen und sind das, was der Mensch zum Leben braucht, denn als Gemeinschaftswesen sind diese Momente die, die man zum Wohlempfinden benötigt.
Erst in der Gemeinschaft wird das Leben zum Leben,
man bekommt viel und kann auch viel geben.
Man hat jemanden zum reden, jemanden der einen versteht,
jemanden der bleibt und nicht einfach geht.
Der Mensch ist veranlagt immer einen Grund fürs' Leben zu suchen und sucht diesen meist in weiter Ferne. Doch da der Mensch alleine zu Grunde geht, ist die Gemeinschaft wohl eine Basis des Lebens, wobei diese nicht den Grund des Lebens wiederspiegelt. Doch die sozialen Kontakte müssen auch von Dauer sein. Nur Konversationen von kurzer Dauer zu führen, erfüllt nicht den Sinn eines Gemeinschaftsgefühls. Man braucht jemanden zum reden, der sich wirklich für das Erzählte interessiert oder dieses Interesse wenigstens gekonnt vorspielt.
Die wichtigste Gemeinschaft ist wohl die, die man am längsten kennt,
sie ist die, die man Familie nennt.
Mit ihnen ist man verwandt, man hat dasselbe Blut,
im Herzen schlägt dieselbe Glut.
Gemeinschaften sind wichtig, doch kann jede Bindung an eine Gruppe (z.B. Verein) schnell kaputt gehen. Die Bindung mit der Familie ist für immer. Man hat seine natürlichen Eltern, deren Eltern und vielleicht sogar Geschwister. Man ist genetisch miteinander verbunden. Auch wenn nicht jeder mit seiner Familie einen guten Umgang hegt, ist sie für die meisten Menschen ein Ort, um Kraft zu tanken.
Doch in der Familie ist nicht jeder gleich,
der eine ist hart, der andere ist weich.
Die mitfühlende Mutter, die ihre Kinder wirklich kennt,
der harte Vater der niemals flennt.
Jeder in der Familie hat seine eigene Rolle. Man kann dies nicht komplett verallgemeinern, da jeder Mensch anders ist, aber meistens hat die Mutter den mitfühlenden emotionalen Part und der Vater den etwas härteren bzw. strengeren Part. Genau so ist es auch mit dem Rest der Familie. Egal ob Großeltern, Onkel oder Tante, jeder bekommt seine eigene Rolle zugespielt, die diese Person für jemanden einnimmt. Also kann dieselbe Person (z.B. Großvater) für zwei verschiedene Familienmitglieder eine komplett unterschiedliche Rolle einnehmen.
Vielleicht auch Geschwister, doch das ist nicht Zwang,
mit Geschwistern ist man nicht schlechter dran.
Sie sind immer für einen da und stehen einem zur Seite,
selbst bei großen Problemen suchen sie nicht das Weite.
Früher war es in Ländern wie Deutschland üblich mehrere Kinder zu haben. In ihrer Kindheit haben diese viel miteinander gespielt und viel miteinander erlebt. Heutzutage wird es immer häufiger, dass Paare nur noch ein Kind bekommen und dieses als Einzelkind aufwächst. Dies ist auch nicht weiter schlimm, durch Schule, Sport und sonstige Aktivitäten wird das Kind auch seine sozialen Kontakte finden, aber Geschwister zu haben, hat im Allgemeinen keine Nachteile. Der jüngere hat jemanden erfahrenen der die Erfahrungen mit einem teilt und hilft. Auch später kann man sich immer wieder helfen und genau dies fehlt jemandem ohne Geschwister.
Familien sind noch größer, doch aufzählen würd nicht lohnen,
denn die wichtigsten sind die, die bei einem wohnen.
Sie begleiten einen durch die ersten Jahre des Lebens,
machen viel mit einem durch und wissen, nichts davon war vergebens.
Familien können unterschiedlich groß sein, doch die Basis ist in der Regel dieselbe, denn Eltern hat jeder und Geschwister die meisten. Man lebt zusammen unter einem Dach und man hat jemanden, der für einen sorgt. Man bleibt mindestens 18 Jahre im Elternhaus und wird in dieser Zeit gut verpflegt, man kennt diese Menschen in und auswendig und das unterscheidet auch den Kontakt zu anderen Familienmitgliedern, denn diese kennt man bei weitem nicht so gut.
Doch irgendwann bricht man aus dem Elternhaus aus,
man entdeckt sich selbst und geht in die weite Welt hinaus.
Nach einiger Zeit wird man jemanden zum lieben finden,
lange zusammen sein und vielleicht auch für ewig binden.
Irgendwann kommt die Zeit in der man auszieht und beginnt auf eigenen Beinen zu stehen, man sucht seine eigene Wohnung/sein eigenes Haus und beginnt nun eigenständig zu leben. Entweder man hat zu diesem Zeitpunkt schon einen Partner gefunden oder man findet diesen erst später, aber die meisten Menschen schaffen es einen zu finden und werden nicht selten auch mit diesem glücklich. Früher war es üblich zu heiraten doch dies geht etwas zurück, immer weniger Leute wollen sich das ewige Ja-Wort geben, aber es ist ja auch kein Muss, sondern hat etwas von einer sehr alten Tradition.
Nun wächst die Familie, die eigene wird geboren,
die weitere Zukunft wird gemeinsam auserkoren.
Ein, zwei Kinder, vielleicht sogar drei,
in der Planung ist man komplett frei.
Die meisten Paare wollen irgendwann auch einmal Kinder bekommen, was reichlich besprochen wird. Man bespricht wie viele Kinder man denn eigentlich haben möchte, wobei dies nicht gerade selten zu Streit führt. Doch muss man auch über solche Dinge sprechen können und in der Lage sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Denn in Sachen Familienplanung kommen noch einige mehr Sachen auf Paare zu, wie die Anzahl der Kinder. Doch wer sich wirklich liebt, wird alles geklärt bekommen und schafft es vielleicht seinen Traum zu leben.
Eine Familie ist wichtig, sie gibt dem Leben einen weiteren Sinn,
für jeden Menschen ist die Familie ein Gewinn.
Verdirb sie dir nicht, dann wird sie immer bei der sein,
mit einer Familie ist man niemals allein.
Da die Bindung für ewig hält sollte man immer gut mit der Familie umgehen. Sie ist immer für einen da, egal wie schlecht die Zeiten auch sind. Sie sind die Menschen auf die man sich immer verlassen kann, sie bleiben bei einem und werden niemals endgültig gehen. Sie sind sehr wichtig da die Familie die Grundbasis einer Gemeinschaft bildet. Das komplette Sozialgefühl wird in der Familie gelehrt, da es der erste Ort ist an dem man mit Mitmenschen in Kontakt kommt. Hier lernt der Mensch Normen und Umgang, was richtig und falsch ist. Die Familie prägt das Leben mehr als man denkt, den ohne Familie wäre niemand dort wo er ist.
Seine Freunde kann man sich aussuchen. Seine Familie nicht.

Besuche auch Renés Blog: www.german-poems.blogspot.com  

 

Laura Schroers: 
Was bedeutet mir Familie?

Ich betrete vorsichtig den Raum, in dem die heutige Familienfeier meiner besten Freundin stattfinden soll, bei der ich als Kellnerin helfen werde. Meine Freundin hatte mich vorgewarnt: „ Meine Familie ist groß und durchgedreht, du wirst eine Menge Leute kennenlernen“. So viele Menschen hatte ich jedoch nicht an einem Fleck erwartet und wenn ich bedenke, wie verschieden sie doch alle aussehen, frage ich mich wie man diese Menschen alle unter dem Wort „Familie“ zusammenfassen kann. Da stellt sich mir doch die Frage: Wie definiere ich Familie? Sind es all die Menschen, die über meine Großeltern oder Urgroßeltern mit mir verwandt sind? Oder ist es der enge Kreis Verwandter, bestehend aus mir, meinen Eltern, Geschwistern und vielleicht noch meiner Oma? Und vor allem: Was bedeutet mir diese Familie wirklich?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Menschen das Wort Familie alle mit sehr unterschiedlichen Dingen und Menschen verbinden. Dies ist unter anderem kulturabhängig. Fragt man einen Franzosen, welche Menschen seine Familie bilden, wird man viel Zeit brauchen, sich die ganze Antwort anzuhören, denn hier gehören Großtanten, Cousins dritten Grades und die Patentanten der angeheirateten Onkel mit zum Programm. In meinem Fall wären die Personen, die nach meiner Definition zur Familie gehören schnell genannt: meine Eltern, meine Oma, meine zwei Onkel, meine Tante und mein Cousin. Wieso sollte ich sämtliche Großtanten oder Halbcousins mit einbeziehen, zu denen ich noch nie Kontakt hatte, von denen ich vielleicht noch nicht einmal weiß, dass sie existieren? Es passiert mir oft genug, dass ich mit meinen Eltern über die Straße gehe und plötzlich sagt meine Mutter: „Guck mal, Laura, das ist der Cousin deiner Oma.“ Ich habe diesen Mann noch nie gesehen und ich fühle mich ihm gegenüber fremd. Wie sollte es auch anders sein? Ich habe schließlich noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt. Für mich bedeutet es nicht, weil eine Person meine Tante ist, dass ich sie als Teil meines Lebens ansehe, denn wenn ich sie nicht kenne, verbindet uns vorerst nichts, außer ein paar nette oder auch weniger nette Menschen, mit denen wir gleichermaßen verwandt sind. Ich sehe Menschen als Teil meiner Familie, wenn sie mit mir verwandt sind und ich eine enge Beziehung zu Ihnen habe. Bei vielen anderen ist es umgekehrt: sie haben eine enge Beziehung zu ihren Verwandten eben gerade weil sie Verwandte sind. In diesem Fall umfasst der Begriff Familie eine ganze Reihe mehr Personen, als in meiner Definition.
Ich denke jedoch, dass in einer Hinsicht alle Definitionen von Familie zwei Personen berücksichtigen: die Eltern. Die Mutter-Vater-Kind-Beziehung ist wohl so ziemlich die engste Beziehung, die es aus Sicht der Kinder und wahrscheinlich auch aus Sicht der Eltern gibt. Natürlich kommen immer wieder Fälle vor, in denen das Verhältnis zwischen den Eltern und ihrem Kind gestört ist, doch das ist nicht die Regel. Ich habe bisher selten von Kindern und Jugendlichen gehört, die sagen, dass sie ihre Eltern hassen und dies dann auch noch wirklich so meinen. Aber warum besteht zwischen den Eltern und ihren Kindern so ein enges Verhältnis? Die Gene können wohl kaum der einzige Grund sein, wieso man sein Leben so gut und so gerne mit anderen Menschen verbringt. Man hört manchmal von Kindern, dessen Vater die Familie bei der Geburt verlassen hat, der dann aber doch wieder Kontakt aufnimmt, wenn das Kind älter ist. Meist fällt es den Beteiligten schwer wieder eine Bindung zueinander aufzubauen, eine Bedeutung im Leben des anderen zu erhalten, die auf positiven Gedanken und Erlebnissen beruht. Die Gene alleine reichen hier also nicht aus, um ein enges Verhältnis aufzubauen. Man muss sich daran gewöhnen mit seinem „neuen“ Vater umzugehen und ich denke, genau hierin liegt der Schlüssel. Man hat gelernt mit seinen Eltern zu leben, man hat noch nie ohne sie gelebt, egal ob man ein selbstständiges und eigenverantwortliches Kind oder ein verwöhntes Kind ist, das sehr an seinen Eltern hängt. Aus diesem Grund lernt man gut mit seinem Vater umzugehen und seine Mutter für das zu schätzen, was sie tut. Man kann sich auf sie verlassen und ihnen vertrauen, weil sie gelernt haben, verlässlich und vertrauenswürdig zu sein, genau wie man es selbst sein sollte. Die meisten Kinder haben viele Jahre, um sich an die Anwesenheit ihrer Eltern zu gewöhnen und bekanntlich kann man kleinere Kinder besser beeinflussen als Erwachsene. Die Beziehung stärkt sich durch die Zeit. Es bleibt einem wohl auch kaum etwas anderes übrig, als sich mit seinen Eltern zu verstehen, man kann ihnen schließlich nicht davonlaufen, nicht bevor man achtzehn Jahre alt ist. Stattdessen will man sein Leben so angenehm wie möglich gestalten und wenn es dazugehört mit seinen Eltern zusammenzuleben, versucht man dies so gut man kann. Jedoch kann man erkennen, dass ein Kind meist eine engere Beziehung zu einem Elternteil hat als zum anderen. Meist fühlen sich Vater und Sohn sowie Tochter und Mutter enger verbunden. Das liegt womöglich an den gemeinsamen Interessen und Aktivitäten, denen man gemeinsam nachgehen kann oder an den Themen über die man redet. Meistens liegen Verwandte gleichen Geschlechts eher auf einer Wellenlänge. So kennt man zum Beispiel das Klischee, das aber durchaus auch des Öfteren vorkommt, dass Vater und Sohn gerne gemeinsam Fußball spielen.
Apropos Klischees: Die meisten Menschen haben, wenn sie an das Wort Familie denken das Gleiche Bild von einer perfekten Familie im Kopf: Mutter und Vater mit zwei Kindern - selbstverständlich Junge und Mädchen - leben in einem Haus mit einem großen Garten und einem schönen Auto. Der Vater geht arbeiten, die Mutter kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Der Vater hat eine enge Beziehung zu seinem Sohn und spielt mit ihm, wie oben genannt, gerne Fußball. Die Mutter und die Tochter haben auch eine sehr enge Beziehung und gehen gerne gemeinsam auf eine Shopping-Tour. An Geld fehlt es der Familie nicht. 
Nicht nur Erwachsene, nein auch Kinder und Jugendliche träumen meist von solch einer Zukunft. Diese Vorstellung wird nur in den seltensten Fällen erfüllt, wie man schon leicht erkennen kann, wenn man einen Spaziergang durch unsere Stadt unternimmt. Wohnungen und Apartments ohne Balkone auf Hauptstraßen, Gebrauchtwagen, alleinerziehende Mütter, die alleine mit vier Kindern über die Straße laufen – das sind die Zustände, die man vorfindet. Trotzdem fühlen sich viele Menschen in ihrer Situation wohl, selbst wenn sie diese mit der Vorstellung des puren Glückes vergleichen und Unterschiede feststellen. Vielleicht möchten die Menschen gar keine perfekte, kleine Familie in der sie ohne Schwierigkeiten leben? Sicher ist, dass die Familie eine große Bedeutung in dem Leben der meisten Erwachsenen und auch Kinder einnimmt und dass sie gelernt haben mit den wichtigen Menschen in unserer Welt zu leben.
Diese „Heile Welt“ trotz Strapazen kann aber auch zerbrechen, wie wir ganz oft durch Medien oder sogar eigene Erfahrungen erkennen müssen: Die „Super Nanny“ hilft vor laufender Kamera Eltern, die nicht in der Lage sind mit ihren Kindern umzugehen und wir lesen Artikel über Missbrauchsfälle, sogar Vergewaltigungen innerhalb des engsten Familienkreises. Solche Vorfälle schüren Hass. Die Frage ist: Wie kann man bereit sein, Menschen, denen man so nahe steht und die man jeden Tag um sich hat, Schaden zuzufügen, ihnen weh zu tun, egal ob körperlich oder mit Worten, die einem das Herz brechen? Wie kann man so viel Hass in sich tragen? Wie kann man eine Familie so zerstören, wo andere so viel dafür tun sie erhalten zu wollen? Diese Fragen geben mir Rätsel auf. Probleme kann und muss man anders lösen. Man trifft auf so viele Konflikte im Alltags- und Familienleben, für die es immer eine Lösung gibt. Man muss nur danach suchen.
Sieht man sich zum Beispiel einmal die Beziehung zwischen Geschwistern an, kann man sofort erkennen, dass diese oft von Streit geprägt ist. In der Schule bekomme ich als Einzelkind oft zu hören, wie ätzend doch die kleine hyperaktive Schwester oder der besserwisserische und arrogante Bruder einer Freundin gerade ist. Die meisten Teenager möchten ihre Geschwister am besten in einer Pension abgeben und nie wieder zurückholen. Obwohl, nie? manchmal erweisen sich die „Störfaktoren“ auch als Langeweileretter, weil sie die Einzigen sind, die heute Zeit haben, zusammen mit dem Bruder oder der Schwester schwimmen zu gehen. Da lässt sich ein Geschwisterstreit der Sorte „Ich hasse es, dass du immer in mein Zimmer kommst und nervst“ oder „Wieso hast du meinen Lieblingspullover an?“ schnell vergessen. So läuft es zumindest in den meisten Fällen. Man kann ja auch kaum sein ganzes Leben mit einer Person unter einem Dach verbringen ohne sich auch nur einmal über diese Person auszulassen, seien es begründete Auslöser oder eben weniger begründete. Man kämpft um die Gunst der Eltern oder will einfach mal die Wut, die sich an einem besonders schlimmen Schultag angestaut hat an jemandem auslassen. „Die welche dir die Nächsten und Liebsten sind, erträgst du manchmal schwer. Sei gewiss, es geht ihnen mit dir ebenso.“ Und eben das ist es, was die Beziehung zwischen Geschwistern auszeichnet. Sie stehen sich nahe, wenn es hart auf hart kommt, halten sie zusammen, trotzdem gibt es nichts Nervtötenderes als am Morgen vom kleinen Bruder geweckt zu werden, weil er keine Beschäftigung hat oder vor den Eltern beweisen zu müssen, dass man das klügere und nettere Kind ist. Mit der Familie wird einem nicht so einfach/ schnell langweilig, nein da hat man immer etwas zu tun. 
Ärgerlich wird es nur wenn man dafür auf andere Dinge verzichten muss. Jeder kennt wohl diese Situation: Man fühlt sich irgendeinem Familienteil gegenüber verpflichtet, man möchte ihm etwas nicht abschlagen oder ein Treffen absagen, obwohl man eigentlich entweder keine Lust oder keine Zeit hat, weil man schon verabredet ist. Dann müssen die Freunde schon mal die Konsequenzen tragen und auf ein Treffen verzichten, das schon länger geplant ist. Aber woran liegt dieses Pflichtgefühl Familienmitgliedern gegenüber? Natürlich will man in den meisten Fällen einen guten Eindruck bei der Familie hinterlassen, schließlich muss man noch eine längere Zeit seines Leben mit diesen Menschen verbringen oder teilen. Was kann also störender sein als ständig Streitigkeiten mit seinem Cousin anzufangen? Wo bleibt da der Spaß? Trotzdem wäre es eigentlich fairer seine Familie so zu behandeln, wie man andere nette Menschen behandelt. Ich denke nicht, dass Familie immer den Vortritt vor anderen Menschen haben sollte, solange diese anderen Menschen uns nahestehen, denn die Familie hat den Freunden nichts voraus, außer ähnliche DNA und daraus resultierend vielleicht ähnliche Gesichtszüge. Andererseits sollte Familie nicht nur als Pflicht angesehen und als Last empfunden werden. Man sollte sich auf ein Treffen mit Verwandten freuen. Ist dies der Fall, fällt es auch leichter jemand anderem abzusagen, den man sonst vielleicht häufiger sieht. Pflichtgefühl ist schlecht für ein Verhältnis. Dann lieber distanzieren, um sich wieder näher zu kommen.
Sehr lästig ist es auch, wenn die Distanz zwischen Eltern und Kind nicht gewahrt wird. Menschen müssen Respekt vor der Privatsphäre des Anderen haben, um die Beziehung zu ihm aufrechtzuerhalten. Es gibt viele Mütter, die dem Kind keine Geheimnisse oder Zeit für sich lassen. Unter dem Motto: „ Ich will doch nur dein Bestes“ wird spioniert und ausgefragt, egal ob hinter dem Rücken des Kindes oder in dessen Gegenwart. Leider erreichen die Eltern ihr Ziel damit in den wenigsten Fällen. sie fordern eine Trotzhandlung oder die Isolation des Kindes heraus. Man versteckt sein Inneres vor seinen Eltern und trifft sich mit Freunden nur noch draußen oder bei dem Anderen aber nicht zuhause. So kann die Mutter - oder auch der Vater - das enge Verhältnis zum Kind verlieren und genau das sollte eigentlich verhindert werden. Ein geschwächtes Verhältnis zum Kind und die Isolation des Kindes können auch auftreten, wenn die Eltern versuchen ihre früheren Träume und Wünsche in ihren Kindern zu verwirklichen. So träumte zum Beispiel eine Mutter immer davon eines Tages eine Ballerina zu werden, doch leider hat sie sich diesen Traum aus irgendeinem Grund nie erfüllen können. Also meldet sie ihre kleine Tochter in einem Ballettverein an und erlaubt es ihr nicht diesen Verein wieder zu verlassen, obwohl das Kind viel lieber Fußballspielen will. So kann entweder die Eltern-Kind Beziehung oder das Kind selbst schneller zerbrechen als man „Kontraproduktiv“ sagen kann.
Alles in allem haben die meisten Menschen gelernt mit ihrer Familie zu leben, sie haben ein gutes Verhältnis zu ihrer Familie aufgebaut zumindest zu dem engen Kreis von Verwandten, mit denen man wohl oder übel seine Tage verbringt. Wie man so schön sagt: „Freunde kann man sich aussuchen, die Familie aber nicht“. Trotzdem kann man entscheiden wen man in sein Herz schließt und wem der Titel „Teil meiner Familie“ wirklich zu steht.
„Und das ist wirklich alles deine Familie? Diese Menschen hast du alle gern?“ Flüstere ich meiner Freundin zu. „ Ja, ich würde sagen das ist meine Familie. Gern habe ich davon aber noch lang‘ nicht alle. Freunde kann man sich aussuchen, die Familie hingegen nicht.“, erwidert sie grinsend und schiebt sich erfolgreich in die Mitte der Menschentraube. Ich bleibe zurück, mein Kopf schwirrt von der Worten meiner Freundin: „Freunde kann man sich aussuchen, die Familie hingegen nicht.“ Trotzdem kann man sich entscheiden, wen man auch wirklich als Teil der Familie ansehen möchte, mit wem man lernen möchte zu leben oder einfach, wen man im Herzen trägt. Und mit diesem Gedanken hefte ich mich an ihre Fersen und stürze mich in’s Geschehen.

 

Franziska Wiethölter: 
Verändert das Lesen die Sicht auf die Welt?

Warum glauben Menschen an Gott? Weil es ihnen gesagt wurde? Oder weil sie ihn brauchen um Fragen zu beantworten? Ich denke an Gott zu glauben oder auch nicht hat mit der Sicht auf die Welt zu tun. Jeder einzelne Mensch hat eine eigene Sicht auf die Welt, die sich im Laufe seines Lebens durch Erfahrungen, Ereignisse, Urteile, Weiterbildung etc. bildet und verändert. Doch die Frage, die uns beschäftigt ist was genau versteht der Mensch unter Weiterbildung? Das Zuhören in der Schule? Das Lesen von Büchern? Wenn Letzteres der Fall sein sollte, ist doch die Frage ob ein Schriftsteller mit einfachen Worten einen Menschen wirklich weiterbilden kann- Und das heißt ja dann trotzdem noch lange nicht das sich auch die Sicht auf die Welt dieses Menschen verändert.
Um die Frage zu beantworten muss man zunächst darüber nachdenken was Lesen überhaupt bedeutet. Das Wort Lesen kommt aus dem Lateinischen und bedeutete ursprünglich ,,sammeln; auswählen”. Daraus lässt sich also schließen, dass Lesen nicht bedeutet auf ein Blatt mit Buchstaben zu schauen, sondern diese sorgfältig auszuwählen, zu verstehen und den Inhalt zu sammeln. Meiner Meinung nach ist Lesen immer mit Lernen und Weiterbildung verbunden, sei es nur dadurch, dass man die Rechtschreibung besser lernt.
Trotzdem ist durch diese Wortherkunft noch nicht geklärt ob das Lesen auch die Sicht auf die Welt verändert. Wie schon gesagt, dafür muss man zunächst klären was die Sicht auf die Welt bedeutet und ich denke, dass sich die Sicht auf die Welt aus vielen gewonnen Meinungen bildet und zusammenfügt. Auch über Bücher oder Sachtexte haben wir Meinungen. Wir finden sie zunächst gut oder schlecht. Nach längerem Nachdenken und zweitem Lesen bilden wir uns auch Meinungen über die benutzte Sprache und sogar über einzelne Figuren und Geschehnisse des Gelesenen.
Dann folgt meiner Meinung nach die Beurteilung dieser neu gewonnenen Meinungen und Gedanken. Wenn sie uns viel bedeuten, denken wir häufiger darüber nach. Anschließend ändern wir vielleicht unsere Meinung über andere Dinge und verändern somit einen kleinen Bruchteil unserer Sicht auf die Welt. Wenn es nur um Kleinigkeiten geht ändert sich vielleicht nicht unsere Meinung und wir haben nur wenig von dem Lesen gelernt.
Um diesen Vorgang des Lesens bis hin zur Veränderung der Sicht auf die Welt nun noch einmal deutlich zu machen habe ich hier ein Beispiel:
Wenn ein kleines Kind an Gott und die Geschichten glaubt die seine Eltern ihm über das Christkind erzählen, dann hat es eine Meinung, die sich durch Erzählungen gebildet hat.
Sobald das Kind dann in die erste Klasse kommt und im Religionsunterricht zum ersten Mal einen Text über die wirkliche Geschichte Jesus erfährt, wird sich seine Meinung ändern. Es wird vielleicht verstehen warum die Eltern das Kind angelogen haben und dass es kein Christkind gibt, doch trotzdem wird dem Kind ein magischer Schleier von den Augen genommen, ein Schleier, der auch die Sicht auf die Welt des Kindes ändert. Und vielleicht verliert das Kind durch die gelesene, aufklärende Geschichte auch ganz den Glauben an Gott und glaubt von nun an den Urknall und die Evolution. Wie das Kind darüber entscheidet hängt ganz von der Beurteilung und Gewichtung seiner Meinung über den Text ab. Und so einfach kann ein kurzer Text über ein wichtiges, ansprechendes Thema die Sicht auf die Welt verändern.
Aber dies ist nur ein Beispiel wie die Sicht auf die Welt verändert wird. In jedem Lebensbereich gibt es Meinungen die vertreten werden und die durch Lesen verändert werden können. Nehmen wir das Thema Politik, wenn wir ein Plakat einer Person oder einer Partei lesen, kann unsere Meinung verändert werden. Entweder wir entscheiden uns für diese Partei und zeigen dies indem wir sie wählen oder unsere Meinung gegen sie verhärtet sich. Wenn wir eine Nachricht von unserem Lebenspartner lesen in der er einer anderen Person seine Liebe gesteht, dann ändert sich unsere Meinung über unseren Partner und das ihm geschenkte Vertrauen und vielleicht auch die Sicht auf die Liebe. Liest eine Mutter Erziehungsbücher, so werden ihr vielleicht Tipps gegeben, die sie umstimmen oder ihr erklären warum etwas schiefgelaufen ist dadurch werden in ihrer Erziehung Veränderungen hervorgerufen.
Sie sehen also, dass Lesen ein Teil unseres Alltags ist und dass diese Tatsache auch die Sicht auf die Welt leicht veränderlich macht.
Trotz dieser aus meiner Sicht überzeugenden Beispiele, glaube ich dass die Sicht auf die Welt nicht bei allen Menschen gleichermaßen durch Lesen beeinflusst und verändert wird. Ich glaube hierbei kommt es auf das Alter, die Erfahrungen und Ereignisse eines Menschen an. Denn es ist schwieriger für einen Autor einen erfahrenen, älteren Menschen von etwas anderem, oder neuem zu überzeugen als ein kleines Kind, das noch nicht so viel in seinem Leben gelernt und erfahren hat. Außerdem bin ich sicher, dass nicht jeder Mensch durch die gleichen Worte und Texte beeinflusst wird, sondern nur durch Texte über die sie sich viele Gedanken und Meinungen machen.
Das ist wie mit den Genres von Filmen; nicht jeden interessieren Fantasyfilme in denen es um Vampire geht. Gleichzeitig ist genau das auch der Unterschied zwischen Büchern und Filmen. Ich glaube, dass man einen Film schauen und am nächsten Tag vergessen haben kann worum es überhaupt ging. Aber wenn man stundenlang ein Buch liest, jedes Wort einzeln mit einem anderen verbindet, muss man darüber nachdenken.
Daher würde ich die Frage ob das Lesen die Sicht auf die Welt verändert nicht mit ,,Ja“ oder ,,Nein“ beantworten sondern viel mehr mit einer Rückfrage: ,, Wie gewichtig ist für Sie das Thema dieses Buch/ Textes?“
Wenn ein Mensch also an Gott glaubt, ist dies seine persönliche Meinung. Diese Meinung stellt einen kleinen Teil der Sicht auf die Welt dieses Menschen dar und ist im Laufe seines Lebens durch Lesen veränderbar aber dies ist nicht verpflichtend.

 


 

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